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Corona Korea

Wie Korea mit Personen in Quarantäne umgeht

Corona gilt auch Korea die Priorität in der öffentlichen Wahrnehmung, wenngleich die Todeszahlen hier sich für europäische Verhältnisse als äußerst gering erweisen. Die Akzeptanz bei Kontroll- und Abwehrmaßnahmen ist allgemein hoch. Disziplin scheint hier das Zauberwort zu sein. Vielleicht ist es aber auch die Art des Umgangs, wenn der Staat den Einzelnen in Quarantäre schickt.

Es ist der zweite Tag für uns in Korea. Wir sind bereits als Einreisende erfasst und in die häusliche Quarantäne geschickt. Heute schellt es und ein Herr, der sich als Mitarbeiter des Gesundheitsamtes vorstellt, stellt zwei große Pakete vor unserer Tür ab.

Reis, Zutaten, Tang, Saucengerichte etc., nicht ganz vegetarisch, aber wohl für die meisten Koreaner akzeptabel.

Einige Formulare sind zu unterzeichnen, die uns auf unsere Mitwirkung verpflichten. Mitwirkung heißt hier, zweimal täglich rufen wir das Gesundheitsamt an und berichten, wie wir uns gesundheitlich fühlen.

Masken, Desinfektionsmittel, Desinfektionsanleitung, Schutzüberzüge und Thermometerstreifen sponsert uns Korea zur Begrüßung, alles wohlverpackt im kostenlosen Erstpaket.

Natürlich dürfen wir das Haus nicht verlassen und eine auf unsere Handys aufgespielte App würde auch wohl jede Veränderung unseres Aufenthalts automatisch anzeigen. Wir kennen dieses Programm schon, bei unserem Aufenthalt im letzten Jahr zeigte sie schon die Annäherung anderer Personen an. …“achten Sie darauf Abstand zu Anderen zu halten….“ tönte es dann aus dem Telefon. Damals war es die Schwägerin, die sich unserem Zimmer auf 2 Metern mit ihrem Handy genähert hatte.

Was uns auffällt, in Korea legt man im Gegensatz zu Deutschland sehr viel Wert auf die Flächendesinfektion. Hier ein Mitarbeiter des Flughafens beim Versprühen von Desinfektionsmittel auf dem Textilboden.

Wie immer beginnt die Erfassung am Flughafen, wo junge in Plastikanzügen geschützte Soldaten für einen flüssigen, aber sehr penibel durchgeführten Aufnahmeprozess sorgen. „Von wem werden Sie in Korea erwartet?….“. Ein Anruf bei der Schwiegermutter bestätigt unseren Wohnsitz in der ca. drei Fahrtstunden entfernten Stadt Chungju. Eintragung in die App auf dem Handy und Hinweis, dass Korea die Einhaltung der Auflagen einfordert, ggf. auch mit empfindlichen Strafen, nicht nur als Geldbußen.

Beratungsatmosphäre am Flughafen Inchon. Arbeitsplatz vieler junger Soldaten im Büroeinsatz.

Wir werden danach zu einer zweiten Räumlichkeit geleitet, wo man die Zweifingerkontrolle leistet, also die elektronische Erfassung der Abdrücke beider Zeigefinger. Unser Problem…, wir besitzen zwar ein Einreisevisum als Journalisten, nur müssen die normalerweise zunächst in ein Quarantänehotel ziehen. Bei uns wartet aber Schwiegermutter in unsererm Appartment in Chungju. Also wo haben wir noch mal unsere Heiratsurkunde von 1976? Ok, gäbe es wohl im Rathaus von Seoul, aber als Quarantänefall?… Zum Glück kennt uns offenbar schon eine der Beamtinnen und gibt uns den Ratschlag die Urkunde beim nächsten Aufenthalt aus Deutschland mitzuführen. Diesmal bekommt die Schwiegermutter einen zweiten Anruf und weist mich als Schwiegersohn aus. Danach gibt es einen blauen Sticker auf den Mantel und den Hinweis, dass wir nur mit speziellen Taxis nach Chungju kommen. Der Taxifahrer wird registriert und ist verantwortlich, uns zunächst in eine Teststation in Chungju zu fahren. Dort werden wir an die sonst wartenden Testpersonen vorbeigeführt…. man kann bei den Horrorberichten aus Europa ja nicht wissen…, und mit Vorrang getestet. Danach endlich zuhause. Kurze Zeit später der erste Anruf. Das Gesundheitsamt lässt nochmals freundlich die Auflagen erläutern. Darunter die Bitte sich zweimal täglich, 9 und 21 Uhr beim persönlichen Betreuer zu melden. Coaching ist ja modern, hier aber kostenlos. Das heute erhaltene Paket lässt jedoch keinen Unmut aufkommen, der Staat sorgt sich ja um uns, selbst beim leiblichen Wohl. In Europa ist es ja auch zunehmend beliebt, sich kurzzeitig in „Klausur“ zu begeben…, nicht immer so gut ausgestattet, wie wir es hier in dem hochtechnisierten Land nun genießen dürfen. Aber davon bald mehr.

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Corona Kommentar

Jammerweihnacht 2020

Nun kommt wohl, was nach Ansicht ernstzunehmender Wissenschaftler schon lange hätte kommen sollen. Die strengere Gangart im öffentlichen Raum ist unabdingbar, denn in Anbetracht einer tödlichen Bedrohung ist das Setzen auf Freiwilligkeit und Einsicht eher eine waghalsige Hoffnung gewesen. Wenn Weihnacht als Zeit der Hoffnung von Gläubigen gesehen wird, bietet das Bild der Realität nicht nur in den Intensivstationen Ohnmacht und Elend. Dabei war die Entwicklung des Pandemiegeschehens vorhersehbar und auch durch den Vergleich mit Staaten, die eine frühere Entwicklung hatten, im Verlauf beschrieben. Der Föderalismus hat in der Bewältigung des Panademiegeschehens kein positives Bild gezeichnet. Dabei hätte man sich an anderen Staaten orientieren können, Südkorea hatte eine viel konsequentere Haltung eingenommen. Zwar hatte es auch dort Ausrutscher gegeben, wenn in Kirchen oder Nachtclubs unter dem Trieb der Vergesellschaftung wider alle Vernunft die Regeln nicht anerkannt wurden. Während wir uns nun eine Schockstarre über Weihnachten und Jahreswechsel verordnen, ist das öffentliche Leben in Südkorea kaum beeinträchtigt. Fragt man nach der Ursache für die Differenz, kommt man um eine Erkenntnis nicht herum, die Disziplin der Asiaten und die Einsicht in Notwendigkeiten sind ausgeprägter als in unserer Spaßkultur. Ein Phänomen ließ sich aber bei uns mit Beginn der Seuche beobachten. Vermeintliche Experten, als Politiker oder Verwaltungsfunktionsträger, traten wo immer möglich ins Rampenlicht oder setzten sich selbst über die sozialen Medien in Szene. Da konkurrierten dann Verwaltungsbeamte, Bürgermeister und Politiker mit Ratschlägen, „Erfolgsberichten“, gespickt mit den jeweils neuesten Zahlen „Wiedergenesener“ und Toten via Facebook, Twitter etc., um ja auf ihren Einsatz zu verweisen. Corona sprengte die Nachrichtenfesseln und führte zur persönlichen Kriegsberichtserstattung von der Pandemiefront. Müßig auf die Nachrichten der Tageszeitungen zu warten, wenn doch die neuesten Zahlen via Facebook von den Verwaltungsakteuren direkt abgeklickt werden können. Distanzen wurden in den Sozialen Medien, in denen das System die „Du-Befreundung“ schon vorgaukelt, vollständig aufgegeben. Das Buhlen um Gunst und Ansehen jenseits von Wahlkämpfen aus der „Macher“ Perspektive. Das die Freiheit des Politikers aber Distanz zu allzu wirtschafltich gedachten Bedenken benötigt, um auch unpopuläre Maßnahmen einfordern zu können, schien vergessen. Erst jetzt bringt das Leid der großen Zahl die Panik und entschuldigende Geste über das zurückliegende Zaudern und Taktieren. Nein, analysierend Zurückschauen möchte man nicht, die Gegenwart ist grausig genug, der Rückblick käme an der Frage des anfänglichen Versagens nicht vorbei.

Ich erinnere mich an den Beginn der Entwicklung. Ich kam gerade von Südkorea zurück, wo wir durch überall sichtbare Veränderungen und pausenlose Beiträge in Funk und Fernsehen auf die neuen Verhaltensnotwendigkeiten vorbereitet waren. Überall Desinfektionsmittel, selbst in Toiletten, die öffentlichen dort allgemein sauberer und kostenlos in größerer Zahl bereitstehend, als wir dies aus unserer heimischen Großstadt kennen. In Kaufhäusern, Hochhausfluren und Aufzügen, überall Menschen mit Masken. Weitgehend selbstgenähte, häufig modische Modelle, immerhin gehört es ich in Korea, daß man auf der Straße wohlgekleidet ist. Mir selbst fällt auf, daß mich Unbekannte auf einmal direkt in Koreanisch ansprechen, wo ansonsten das wohl mit englischen Vokabeln erfolgt wäre. Schnell erschließt sich mir mein Ansichtswechsel… Koreaner tragen auch im Alter Grau und nun fehlte die ansonsten dominante Nase des Europäers, elegant durch die Maske verdeckt. Der Wechsel nach Deutschland führt zu entsetztem Erstaunen. Bereits am Flughafen Menschengruppen in enger Zuwendung. Nein, Corona ist doch weit weg. Es folgen die Monate im Kompetenzgerangel und Freiheitsdiskussionen, die an philosophische Erstseminare erinnerten. Wenn der Eimer der Vernunft aber nun ein Loch hat, predigt selbst der/die Weise in die Wüste. Jochen Steffens Wort, „Junge, du wirst noch mal eine Zeit erleben, da wird nicht mehr regiert, da werden Mängel verwaltet.“ kommt mir in den Sinn. Als Schüler noch, traf ich auf ihn im Rahmen einer gesellschaftspolitischen Veranstaltung in der Essener Volkshochschule. Das von ihm beschriebene Szenario offenbart sich nun in der Krise. Die Politik wird in wichtigen Fragen handlungsunfähig, selbst da, wo in der Bevölkerung bei konkreter Umsetzung Verständnis zu erwarten wäre. Stattdessen dominieren Unvernünftige und agitierende Minderheiten die Leere.

In meiner Herkunftsfamilie hörte ich oft die Floskel, „ihr könnt da ohnehin nicht mitreden, ihr habt ja noch nichts mitgemacht.“ Die Alarmbereitschaft in den Bombennächten, das Bergen von Leichen aus zerbombten Kellern, nein, das entzieht sich unserer Vorstellungskraft. Ob sie, längst verstorben, heute die Belastung ausbleibenden Besuchs, oder das Maskentragen wohl beklagen würden? Klagen war ihnen ja bereits als Kinder aberzogen worden, aber ich bin sicher, sie wären furchtloser als viele Zeitgenossen, denn der Feind ist bekannt und man kann handeln. Die Freiheit zur Handlung statt diffuser Ängste. Die Einsicht in das Notwendige der Handlung, das kein Zaudern duldet. Es ist die Kraft, die ich nicht im Verhalten vieler Politiker wiederfinde. Das Jammern der Einzelnen temporär nicht allein sein zu können, die Abhängigkeit vonfortwährender Vergesellschaftung, es ist symptomatisch für die Leere in einer Überflußgesellschaft, die dem Einzelnen den Anreiz zur Entwicklung einer selbständigen Persönlichkeit nimmt.

Ende Januar werden wir den interkulturellen Vergleich mit Korea fortsetzen können. Das notwendige C1 Visum zur Einreise ist durch das koreanische Justizministerium erteilt und gleich der Verhaltenskatalog unterschrieben, der uns eine 14-tägige häusliche Meditation vorschreibt. Bekannte, die in normalen Zeiten gerne mal zwei Wochen eine Auszeit in einem Kloster in der koreanischen Bergwelt nahmen, hätten derzeit keine Möglichkeit, Korea verweigert konsequent Besuchsreisen. Den Weisungen folgend werden wir also vom Flughafen aus auf dem Hintersitz eines Fahrzeugs, nicht sprechend und mit Maske unseren Zielord ansteuern und dort unsere Wohnung nicht verlassen. Die Literatur ist bereits ausgewählt und es wird sicherlich eine entspannte Zeit, bevor wir Ihnen dann weitere drei Wochen einen Einblick in den koreanischen Alltag unter Pandemiebedingungen übermitteln werden.

Bleiben Sie gesund, oder wie wir es in Ostfriesland zu sagen pflegen: Hol di munter. Zuversicht ist auch in der Krise die stärkste Kraft.

(stk)