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„Straßenverkauf“ für lau? Wie sinnhaft sind E-Ladestellen auf öffentlichen Straßen?

Der Parkdruck in Großstädten ist groß. Genaubesehen ist es ein emotional besetzer Verteilungskampf, wie es rund um das Thema Auto eigentlich fast immer um eine psychosoziale Komponente geht. Das Auto ist nicht nur Fortbewegungsmittel, sondern ein durch Werbungskonditionierung zur persönlichen Ausdrucksform hochstilisiertes Objekt, das zwei widersprechende Seiten besitzt. Es kostet Geld, verursacht Umweltschäden und beschlagnahmt öffentlichen Raum, auf der anderen Seite ist es persönliche Ausdrucksnote, Unterscheidungsmerkmal und vermeintlicher individueller Genußfaktor, für den Individuen oft gern bereit sind mehr Kosteneinsatz zu investieren, als es die reine Funktionserwartung abverlangt.

Großstädte sind da in einer Zwickmühle. Einerseits bringt Individualverkehr Kunden und Leben in die Städte, andererseits fordert die Verkehrsbelastung Begrenzung und Regulierung. Am Beispiel der Stadt Essen zeigt sich das Dilemma einer programmatisch durchdachten Gesamtstrategie in der Verkehrs- und städtischen Planungspolitik. Jahrzehnte war Essen eine industriebestimmte Stadt. Krupp und Bergbau strukturierten ihre Notwendigkeiten. Dann kam die Krise, als der Bergbau wegfiel und krampfhaft neben der Beschäftigungsproblematik auch ein neues Image gesucht werden musste. „Kulturhauptstadt“, „Grüne Hauptstadt“, das Bild der Stadt sollte weg vom Steigerlied und dem Image der grauen Vergangenheit zwischen schlechter Luft und verdreckten Straßen. Weder Kulturhauptstadt, noch der Wunsch nach mehr Grün haben jedoch die Verkehrsprobleme der Stadt gelöst.

Dann trat ein externer Faktor mit Anspruch in die Lokalpolitik. Die Deutsche Umwelthilfe hatte auch die Stadt Essen verklagt und ging in dem Rechtsverfahren mit einem Vergleich recht wirksam voran. Essen arbeitet nun unter Druck an umweltentlastenden Projekten. Vermehrter Fahrradwegsausbau ist ein sichtbares Zeichen, wenngleich keiner wirksam vorhersagen kann, welche Akzeptanz dieses Angebot dauerhaft beim Bürger finden wird. Ein Teilaspekt, der bereits zuvor in Essen für ein gespaltenes Meinungsspektrum führte, war die Einrichtung von Elektroladesäulen, die ganz dem Geschmack der neuerdings in der Mehrheitskoalition mit den Christdemokraten in Essen agierenden Grünen entsprechen. Hofft man doch, Halter von überdimensionierten Spritfressern bewegen zu können Vorteile von Elektrofahrzeugen zu entdecken. Dazu wurde öffentlicher Raum geopfert und unter der Prämisse „es darf der Stadt, die ohnehin hoffnungslos überschuldet ist, nichts kosten“. Eine Einstellung, die es auf Absatz ihrer Energie bedachten Unternehmen leicht macht, Strukturen für lange Zeit festzuschreiben. Mit dem Bild von Fahrzeugen, die sich lediglich durch den Austausch des Antriebs von den im bisherigen Straßenverkehr zu findenden Typen unterscheidet und der Prämisse, dass der Bürger ohnehin auf Öffentlichen Nahverkehr umzusteigen habe, könnte man die Beschreibung „neue Kraft in alte Kisten…“ gelten lassen.

Parkschild für Elektrofahrzeuge
4 Stunden parken zum Laden für E-Fahrzeuge

Nun ist die Stadt in „Kacheln“ aufgeteilt und zwei Anbieter kamen zum Zuge. Ein anderes Thema, das im Rückblick journalistisches Interesse wecken könnte, aber verbleiben wir in der gegenwärtigen Situation. Ladesäulen finden sich im Stadtbild und Fahrzeuge teilen sich temporär die Zapfsäulen. Dr. Rolf Krane, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Rüttenscheid und Kenner dieses Essener Stadtteils, das gerne als Aushängeschild urbanen Lebens in Essen genannt wird, tritt diesem Angebot an Elektroversorgung zunächst positiv gegenüber und kann sich mit einem modalen Mix im Verkehr anfreunden, gibt aber zu bedenken, dass das Konzept sich an Akzeptanz und allgemeinem Nutzen orientieren müsse. Denn bisher kann eine wirklich volle Auslastung der in den Raum gebauten Kapazitäten noch nicht gesehen werden. Andere Anwohner stören sich an den weggefallenen und nun nur für diesen Zweck bestimmten Parkflächen. Auch zukünftige E-Mobile werden öffentlichen Parkraum benötigen und es ist überhaupt nicht einzusehen, warum nicht private Flächen, Parkflächen von Discountern z. B., oder Flächen, die nicht in der wesentlichen Verkehrsführung liegen, in Betracht kamen. Die Essener Parteien halten still bei dem Thema und verärgerte Bürger sprechen von Parkraumvernichtung. Hinzu kommt, dass heute noch garnicht abschließend beurteilt werden kann, welche Entwicklung das Käuferverhalten nehmen wird. Zwischen Fahrrad, Elektroroller und E-Mobilen betreten auch Kabinenroller wieder die Bühne, wetterstrotzend und mit geringen Unkosten. Ein hochemotionales Thema, zu dem wir in kommenden Berichten Betroffene und Experten zu Wort kommen lassen.

Hans-Joachim Steinsiek

(Fotos: Redaktion Die Erle)